Der Effekt des Kriechens bei Federwerkstoffen

Ursachen, Einflüsse, Bedeutung und Reduzierung

Der Effekt des Kriechens ist ein bedeutendes Phänomen bei Federwerkstoffen, das aufgrund von Zeit, Temperatur und Belastung zu einer fortschreitenden Verformung führen kann.

Unter Kriechen einer Metallfeder versteht man eine Abmessungsänderung (z.B. Längenänderung dL>L0-L0(t), Winkeländerung dAlpha>Alpha0-Alpha0(t)) bei konstant wirkender Belastung oder Spannung über einen bestimmten Zeitraum z.B. 100 Stunden.
Die Abmessungsänderung nimmt mit der Zeit ab. Bei einer Druckfeder zum Beispiel erzeugt das Kriechen bei konstanten Belastung / Spannung eine Verkürzung der ungespannten Länge L0, so dass dadurch die geometrische Hauptabmessung L0 verändert wird.

Kriechen bei Federwerkstoffen ist ein zeit- und tempaturabhängiger Werkstoffeffekt und verändert die Hauptabmessungen und Kennlinienwerte der Metallfeder.
Kriechen und Relaxation wird meist unter dem Sammelbegriff Setzverhalten oder Setzung beschrieben.



Kriechen:


Kriechen bezieht sich auf die langsame (Zeitabhängigkeit) und dauerhafte Verformung eines Federwerkstoffs unter konstanter Belastung.
Bei erhöhter Temperatur nimmt die Kriechneigung (Temperaturabhängigkeit) eines Materials zu, was zu einer beschleunigten Verformung und einem Verlust an Federkraft führt. Dieser Effekt ist besonders relevant, wenn Federwerkstoffe langfristig hohen Temperaturen ausgesetzt werden. Kriechen tritt aufgrund der Diffusion von Atomen im Material auf, wodurch die Bindungen allmählich ihre Position verändern. Kriechen wird durch hohe Temperaturen begünstigt, da die Atombeweglichkeit bei erhöhter Temperatur zunimmt.


Berechnung des Kriechbetrag k bei einer Druckfeder (Formel):


Kriechbetrag k in Prozent [%]: k = ( (L0 - L0(t)) / (L0 - L1) ) * 100% oder k = ( (L0 - L0(t)) / (s1) ) * 100% mit s1 = (L0 - L1) Konstante Belastung F während des Belastungszeitraums t
L0 mm (Federlänge vor Belastungsbeginn)
L0(t) mm (Federlänge nach Belastungszeit t mit dL >0 und dL = L0 - L0(t) >0)
L1 mm (gespannte Federlänge während Belastungszeit t bei konstanter Belastung F1)
s1 mm (Federweg)
F1 N (Konstante Federbelastung F1 während der Belastungszeit t)
Beschreibung der Längenänderung:
Nach dem Belastungszeitraum t stellt sich eine bleibende Längenänderung von dL ein, die zu einer bleibenden reduzierten Federlänge L1 (L0 - dL) führt.
Das bedeutet, dass die ursprüngliche Federlänge L0 nach dem Belastungszeitraum t nicht mehr erreicht wird.
Mit zunehmender Einwirkzeit t der konstanten Kraft F1 nimmt die zunehmende Längenänderung dL(t) ab und strebt asymptotisch gegen den Federlängengrenzwert L1.
Es gelten folgende Größenvergleiche nach dem Belastungszeitraum t:
L0 > L1; L0(t) > L1; s1 < L0; F1 = konstant; L0(t) < L0; dL < L1



Effekt des Kriechens:


Ursache:
Das Kriechen bezieht sich auf die langsame plastische Verformung einer Feder unter konstanter Belastung im Laufe der Zeit. Kriechen tritt durch Schädiguung des inneren Werkstoffverbunds auf. Dabei werden Veränderungen im inneren des Werkstoffs zwischen den Korngrenzen hervorgerufen, z.B. die Bewegung von Versetzungen und die Neuanordnung der Atome im Werkstoff.
Das Kriechen bei Federwerkstoffen basiert auf der plastischen Verformung des Materials durch die Diffusion von Atomen entlang der Gitterpläne der Kristallstruktur. Dieser Prozess wird durch die Bewegung von Versetzungen in Gang gesetzt, die eine fortschreitende Verschiebung der Atome bewirken.
Einflüsse:
Das Kriechen wird stark von der Temperatur, der Belastung und der Zeit beeinflusst. Höhere Temperaturen und größere Belastungen beschleunigen das Kriechen, während längere Zeiträume zu einer größeren Verformung führen können.
Praktische Bedeutung:
Das Kriechen kann zu einer dauerhaften Verformung der Feder führen, was in einigen Anwendungen problematisch ist. Beispielsweise kann es bei Fahrzeugfedern zu einer Änderung der Fahrzeughöhe oder bei Federn in Bauwerken zu einer Beeinträchtigung der Strukturintegrität führen.



Einflüsse auf das Kriechverhalten:


Temperatur:
Eine Erhöhung der Temperatur beschleunigt das Kriechen, da sie die thermische Aktivierung von Diffusionsprozessen begünstigt. Die Kriechrate nimmt exponentiell mit steigender Temperatur zu.
Zeit:
Das Kriechverhalten ist zeitsensitiv, da es Zeit benötigt, um eine signifikante Verformung zu erzeugen. Langzeitbelastungen führen zu einem stärkeren Kriechen.
Belastung:
Höhere Belastungen erhöhen die Versetzungsbewegung und fördern somit das Kriechen. Die Kriechrate steigt linear mit der angewandten Belastung.
Einfluss der Legierungsbestandteile:
Die Zusammensetzung des Werkstoffs beeinflusst das Kriechverhalten. Hier sind einige Legierungsbestandteile und ihre Auswirkungen zu beachten:
Chrom (Cr):
Eine erhöhte Chromkonzentration wirkt kriechhemmend, da es die Oxidation der Werkstoffoberfläche unterstützt und somit den Diffusionsprozess verlangsamt.
Molybdän (Mo):
Molybdän erhöht die Zugfestigkeit des Werkstoffs und verringert dadurch das Kriechverhalten.
Aluminium (Al):
Aluminium erhöht die Festigkeit des Werkstoffs, kann aber gleichzeitig das Kriechen fördern, insbesondere bei höheren Temperaturen.
Silizium (Si):
Silizium trägt zur Stabilisierung der Oxidschicht bei und kann somit das Kriechen reduzieren.



Reduzierung des Kriechens:


Um das Kriechen bei Federwerkstoffen zu reduzieren, können verschiedene Ansätze verfolgt werden:

Optimierung der Legierungszusammensetzung:
Durch gezielte Auswahl von Legierungsbestandteilen können Werkstoffe mit einer geringeren Kriechempfindlichkeit entwickelt werden.
Wärmebehandlung:
Eine geeignete Wärmebehandlung, wie beispielsweise das Ausscheiden von Ausscheidungshärtephasen oder das Gefügeumwandeln, kann das Kriechverhalten positiv beeinflussen.
Beschichtungen:
Die Anwendung von Oberflächenbeschichtungen, wie beispielsweise Oxidschichten oder Diffusionsbarrieren, kann das Eindringen von Atomen und somit das Kriechen reduzieren.
Hochleistungswerkstoffe:
Der Einsatz von Hochleistungswerkstoffen mit verbesserten mechanischen Eigenschaften, wie beispielsweise Superlegierungen, kann das Kriechen erheblich verringern.



Vorteile und Nachteile des Kriechens:


Vorteile:

Bei bestimmten Anwendungen kann das Kriechen bewusst genutzt werden, um eine kontrollierte Verformung zu erzielen, beispielsweise bei Formgedächtnislegierungen. Das Kriechen kann dazu beitragen, die Lastverteilung in einer Feder zu verbessern und lokale Spannungsspitzen zu reduzieren.

Nachteile:
Übermäßiges Kriechen kann zu unerwünschten Verformungen und Verlusten der Federkraft führen. Das Kriechen kann die Lebensdauer der Feder verkürzen und die Zuverlässigkeit des Systems beeinträchtigen.



Der Effekt des Kriechens ist ein wichtiges Thema bei der Gestaltung und Verwendung von Federwerkstoffen. Durch das Verständnis der wissenschaftlichen Ursachen und der Einflussfaktoren des Kriechens können Ingenieure gezielte Maßnahmen ergreifen, um das Kriechverhalten zu reduzieren und die Leistung und Zuverlässigkeit von Federanwendungen zu verbessern.
Die Auswahl geeigneter Legierungen, die Anwendung geeigneter Wärmebehandlungen, der Einsatz von Beschichtungen und die Verwendung von Hochleistungswerkstoffen sind wirksame Ansätze zur Minimierung der negativen Auswirkungen des Kriechens.
Es ist jedoch wichtig, die potenziellen Vorteile und Nachteile des Kriechens in Bezug auf die spezifischen Anforderungen einer Anwendung sorgfältig abzuwägen.